Die Kirche von Cajamarca

– die Herausforderung einer Option für die Armen in Peru -

 

Die Kirche in Lateinamerika hat für die Profilbildung wissenschaftlicher Theologie im 20. Jahrhundert eine Reihe von theoretischen Entwürfen vorgelegt, die für die Programmatik der Theologie insgesamt grundlegend und richtungweisend sind. In der europäischen Rezeption wird jedoch zu wenig beachtet, dass sich hinter dem Sammelbegriff „Theologie der Befreiung“ eine Reihe sehr differenzierter Konzeptionen verbergen, die in je unterschiedlichen kulturellen Kontexten die Evangelisierung thematisieren. Der Fokus der vorliegenden Arbeit richtet sich auf die andine Region Nordperus und insbesondere die Diözese Cajamarca unter der Amtszeit des Bischofs José Dammert Bellido (1962-1992). Cajamarca ist ein geschichtsträchtiger Ort mit hoher symbolischer Bedeutung. Hier wurde der letzte Inkakönig Atahualpa von den spanischen Konquistadoren gefangen genommen und trotz Lösegeld 1533 getötet. Hier befindet sich seit 1993 die größte Goldmine der Welt.

 

Die vorliegende Arbeit von Herrn Wilhelm Knecht ist im Rahmen eines Gesamtprojekts „Partnerschaftsarbeit der Kirche in Deutschland und in Peru. 30 Jahre Pastoral in Cajamarca“, das von 1997-1999 von den Bistümern Bamberg, Eichstätt und Würzburg und anschließend bis 2002 von der DFG gefördert wurde, entstanden. Ziel dieses Projekts war es, die wechselseitige Bedeutung von Partnerschaften zwischen Deutschland und Peru exemplarisch herauszuarbeiten, ihre Entstehungsgeschichte nach dem Konzil zu dokumentieren und die Veränderungsprozesse zu analysieren. Einschneidende Zäsur war hierbei der altersbedingte Amtsrücktritt von Bischof Dammert 1992 und die theologische und kirchliche Neuorientierung seines Nachfolgers, die sich auch auf die deutschen Partnergemeinden auswirkte. Knecht war bereits von 1977 - 1980 als „agente pastoral“ Mitarbeiter von Bischof Dammert. Literarische Grundlage der vorliegenden Arbeit ist neben den vor allem kirchengeschichtlichen Publikationen Bischofs Dammerts, umfangreiches unveröffentlichtes Archivmaterial, besonders aus dem Dammert-Archiv am Instituto Bartolomé de Las Casas in Lima, sowie von Knecht durchgeführte Umfragen. Der Arbeit ist ein eigener Band beigefügt, der die ausgewerteten unpublizierten Dokumente enthält.

 

Der Verfasser stellt einleitend die Entstehung des Gesamtprojekts, den theologischen und kirchlichen Standort seiner Dissertation sowie ihre methodische Vorgehensweise dar. Das Ziel, das er verfolgt, wird von ihm so umschrieben: „Der wissenschaftliche Anspruch dieser Arbeit und deren Bedeutung besteht darin, dass sie eine authentische Dokumentation des kirchlichen Aufbruchs in Lateinamerika seit 1962 ist. Sie dokumentiert einen Prozess der Befreiung und der danach folgenden Theologie der Befreiung. Dies wird am konkreten Beispiel einer Diözese gezeigt – ausgehend von der Praxis und den handelnden Personen.“ (33)

 

Kapitel II „Cajamarca – eine Diözese in den Anden“ (41 - 92) erstellt eine Situationsanalyse des 1908 gegründeten Bistums Cajamarca unter Einbeziehung geografischer, historischer, politischer, ökonomischer und kirchlichen Gegebenheiten. Die statistischen Angaben, die hier im Zentrum stehen, machen die gesellschaftliche und kirchliche Differenz der andinen Region innerhalb Perus deutlich und zeigen die soziale und religiöse Marginalisierung der Landbevölkerung. Knecht unterstreicht besonders die Abhängigkeit von der internationalen Politik und die Auswirkungen, die sie auf die Bevölkerung von Cajamarca insbesondere die Campesinos hat. Ökonomisches Paradebeispiel ist hierfür die Goldmine Yanacocha. Kirchlicherseits sind es vor allem die ausländischen Priester, die für die Umsetzung des Konzils in Cajamarca tätig waren und die kirchlichen Hilfswerke, die dies durch Projekte finanziell unterstützen. Die Partnerschaften zwischen Deutschland und Peru sind hierfür ein weiteres Beispiel. Während die ökonomische Globalisierung negativ bewertet wird, wird die Bedeutung internationaler kirchlicher Aktivitäten für den nachkonziliaren Aufbruch unterstrichen.

 

Kapitel III „Der Glaube und die Kultur der Menschen von Cajamarca“ (93 - 145) behandelt die andine vorchristliche Kosmovision, deren fundamentales Charakteristikum die Relationalität aller Wirklichkeit bildet, in die auch der Mensch eingebunden ist. Europäische Dualismen wie Transzendenz und Immanenz, Subjekt und Objekt sind ihr fremd, die Reziprozität des Gebens und Nehmens und die Vorstellung von den Orten und Knotenpunkten dieser Wechselseitigkeit jedoch sind in ihr zentral. Bei der ersten Evangelisierung seit 1532 wird sie beeinflusst von Elementen der spanischen Volksreligiosität, besonders der Heiligenverehrung und dem Marienkult. Das Christsein der andinen Bevölkerung ist daher bis ins 20. Jahrhundert hinein von der Heiligenverehrung geprägt, was in den Prozessionen und bei den Patronatsfesten besonders greifbar wird. Volksreligiosität und andine Kosmovision konnten zur Legitimierung politischer und kirchlicher Herrschaft dienen und sich wechselseitig stützen.

 

Kapitel IV behandelt „Die soziale und pastorale Arbeit von Bischof Dammert“ (146 - 197). Er war die charismatische Figur der zweiten Evangelisierung in Cajamarca. Dammert steht aber darüber hinaus auch exemplarisch für die kirchliche Erneuerung in Peru und Lateinamerika nach dem Konzil überhaupt. Er war maßgebend an der Konferenz von Medellín beteiligt und Präsident der peruanischen Bischofskonferenz. Konsequent hat er nach seinem Amtsantritt das Konzept der Sozialpastoral in seiner Diözese durchgesetzt und mit der „Re-Evangelisierung“ begonnen. Ihr theologisches Kennzeichen ist die Betonung einer bis dahin fehlenden Christologie mit den Polen Inkarnation und Auferstehung. Nicht mehr die hierarchischen Vorgaben, sondern die Comunidades, die Lebens- und Glaubensgemeinschaften der Campesinos auf dem Land, bilden das Rückgrat der Pfarrei. Eine herausragende Bedeutung haben in ihr Katecheten und Katechetinnen, die neben der Katechese auch liturgisch-sakramentale Funktionen bis hin zur Taufspendung und Assistenz bei der Eheschließung übernehmen. Sie sind Repräsentanten der Pfarrei.

 

Kapitel V „Das Evangelium der Campesinos von Bambamarca“ (198 - 330) behandelt die Umsetzung des neuen Pastoralkonzepts in der Pfarrei San Carlos de Bambamarca. Sie hatte Vorbildfunktion und war das Vorzeigeprojekt der Diözese. Erstmals seit 400 Jahren lag der Schwerpunkt pastoraler Tätigkeit bei der einheimischen Landbevölkerung, die von den Kolonialherren und ihren Nachfahren seit eh und je vernachlässigt war. Der erste Pastoralkurs 1963 ist der Beginn einer Befreiungsgeschichte. In ihrem Zentrum stand die biblische Botschaft. Die religiöse und soziale Selbstorganisation der Campesinos wurde von den Priester veranlasst und geleitet, von den Katecheten aber weiter getragen und durchgeführt. In der ersten Phase (1961 - 1969) sind einheimische Priester für die Ausbildung von Katecheten und die Bildung von Comunidades verantwortlich. In der zweiten Phase sind ausländische Priester tätig, die in der 3. Phase (1979 - 1993) durch einheimische Priester wieder abgelöst werden. Die Neuevangelisierung verändert das soziale Ordnung der Campesinos, den Umgang der Generationen und nicht zuletzt auch das Verhältnis der Geschlechter.

Publizistisch findet dieser Aufbruch in der Zeitung „El Despertar de los Campesinos“ (dt. Das Erwachen der Campesinos) seinen Niederschlag. Als Informationsorgan dient sie der religiösen Bildung, aber auch der Aufdeckung sozialer Missstände, die vor allem der Stadt-Land-Konflikt mit sich brachte. International Aufsehen erregte das von den Campesinos verfasste Glaubensbuch „Vamos Caminando“. Eine weitere Neuerung stellt die Institution der Ronda dar, die zunächst als gemeinsame Nachtwache der Comunidad gegen Viehdiebstahl, dann ein Bollwerk gegen den „Sendero Luminoso“ war und sich aber zu einer Instanz demokratischer Selbstverwaltung der Comunidad entwickelte. Eine bildungspolitische Errungenschaft ist die Einrichtung der Campesinoschule Alcides Vásquez, die den Campesinos seit 1985 einen formellen Schulabschluss ermöglicht.

 

Die vorliegende Dissertation von Knecht wird ihrer Zielsetzung, eine authentische Dokumentation der nachkonziliaren Neuevangelisierung in der Diözese Cajamarca zu leisten, in hervorragendem Maße gerecht. Die aufgeführten Detailinformationen sind äußerst umfangreich und belegen sachhaltig und kenntnisreich die Tragweite des Pastoralkonzepts von Bischof Dammert. Dessen Bedeutung wird nicht zuletzt dadurch belegt, dass Gustavo Gutiérrez diese befreiende Pastoral vor Augen hatte, als er die „Theologie der Befreiung“ verfasste. Knecht gelingt es hervorragend, die Differenz zwischen der ersten und zweiten Evangelisierung anschaulich zu beschreiben. Die Vielfältigkeit des von ihm herangezogenen Materials ist beeindruckend. Bei einer eindeutigen Positionierung bleiben auch die Schwierigkeiten und Konflikte nicht unthematisiert. Hier wird insgesamt das spezifische Profil einer auf andiner Grundlage verfassten Ortskirche zur Sprache gebracht. Die kirchengeschichtliche Bedeutung Bischof Dammerts nicht nur für Peru, sondern für ganz Lateinamerika ist eindrucksvoll dargelegt. Die von Knecht hervorgehobene eigenständige Praxis der andinen Basisgemeinschaften ist in dieser Ausführlichkeit bisher nicht behandelt worden.

 

 

Prof. Dr. Elmar Klinger                                                                             Würzburg, im Mai 2004

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Asociación José Dammert Bellido de Cajamarca*                                    Cajamarca 31 - 08 - 04

 

Estimado  Willi:

 

Die Asociación José  Dammert Bellido de Cajamarca hat in ihrer letzten Sitzung einstimmig beschlossen, dich zu dem verliehenen Titel Dr. theol. zu beglückwünschen. Es ist ein verdienter Titel, denn in deinem Leben und deiner Forschung gab es einen Ausgangspunkt und eine immer währende Konstante: Eine Kirche, die von den Armen ausgeht und in deren Mittelpunkt sie stehen. Du hast sie darin begleitet, an einer Gesellschaft zu arbeiten, die gerechter und die solidarisch ist -  eine Gesellschaft, in der diejenigen, die viel haben, mit denen teilen, die ihrer elementarsten Rechte beraubt werden.

Wir insistieren und bitten dich, die begonnene Aufgabe weiter zu führen - eine Arbeit und Aufgabe im Geiste unseres Bischofs José  Dammert Bellido.

Wir schicken dir herzliche Grüße und wir wünschen, dass du der begonnenen Aufgabe treu bleibst und uns weiterhin begleitest.

 

Der Herr möge dich segnen

Asociación José Dammert Bellido.

 

 

*Präsident: Padre Rolando Estela (verantwortlich für die Landpastoral der Diözese), Mitglieder (u.a.): Hans Hillenbrand, Flor Amorós, Marcial Blanco, Olivia Velarde, Padre Alois Eichenlaub.

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Mi querido Willi:                                                                                               

 

…..   Viele Grüße und Glückwünsche für dich und deine Familie zu diesem großen Triumph, den du mit deiner Anstrengung und deinem hartnäckigen Festhalten an deinem Ziel erreicht hast.

Der Kirche der Armen wird so in dieser Zeit ein Denkmal gesetzt, einer Zeit, in der die Gier nach Geld und Profit, nach Gold und materiellem Erfolg, an erster Stelle steht.

 

Dein Triumph ist auch der Unsere. Die Mütter und die Campesinos haben lange applaudiert. Sie möchten - und natürlich auch ich - einige Abschnitte deiner Dissertation kennen lernen.

Aufrichtige Glückwünsche meinerseits und meiner ganzen Familie; wir wünschen dir für die Zukunft, dass du alle weiteren dir selbst gesteckten Ziele erreichst.

 

Der vorhergehende Brief zeigt unsere Fortschritte und auch unser Versagen, aber ich glaube, dass es mehr Fortschritte waren. Denn Gott ist auf unserer Seite und deswegen kann uns keiner…

 

Die Lage am El Quilish macht uns außergewöhnliche Sorgen. Vielleicht fließt kein Blut, wie es die Campesinos der dortigen Zone befürchten. Unsere Campesinos sind zu einer bedingungslosen Unterstützung bereit, eine Haltung, die viel Mut erfordert. Ich werde dich über jedes weitere Geschehen auf dem Laufenden halten.

                                                                                                     

Con mucho cariño:                 OLIVIA                  (Koordinatorin der Partnerschaft San Pedro)