Die globale Verantwortung -

Partnerschaften zwischen Pfarreien in Deutschland und Peru.

Hrsg.: Klinger, Knecht, Fuchs - Echter, Würzburg 2001.

 

 

Buchbesprechung Emilio Näf (Lima, Schweiz), in: Neue Zeitschrift für Missionswissenschaft, Immensee 2/02.

 

 

 

Die vorliegende Studie enthält 16 verschiedene Beiträge, in vier Teile gegliedert, und verdankt sich der Zusammenarbeit zweier Professoren deutscher Universitäten sowie zweier ehemaliger deutscher Freiwilligen in Cajamarca und dem „Instituto Bartolomé de Las Casas“ in Lima. Sie versteht sich als ein Pilotprojekt, das sich mit den Erfahrungen der Partnerschaft zwischen Gruppen in Deutschland und in der Diözese Cajamarca befasst. Not und Segen dieser Tätigkeiten werden erzählt, reflektiert, hinterfragt und ausgewertet.

 

Der erste Teil stellt die Diözese Cajamarca in den nördlichen Anden Perus und José Dammert Bellido, der diese Diözese von 1962 bis 1992 als Bischof leitete, vor. Der bekannte Befreiungstheologe Gustavo Gutiérrez charakterisiert in persönlich freundschaftlichen Ton und theologischer Tiefe die Person Bischof Dammerts, indem er dessen konsequentes Engagement für eine Kirche mit den Campesinos im Zentrum der pastoralen Aufmerksamkeit beschreibt und auch zeigt, dass Dammert sich immer in Treue zum Evangelium dem Zweiten Vatikanischen Konzil und der lateinamerikanischen Bischofskonferenz von Medellín verpflichtet wusste und dass er als eine der Schlüsselfiguren der peruanischen Kirche der letzten Jahrzehnte gelten darf. Historisch bemerkenswert ist sodann der Beitrag des Altbischofs von Ivrea (Italien), Luigi Bettazzi, über jene Zeit, während und nach dem Konzil, als sich eine Gruppe von Bischöfen - Dammert war einer von ihnen - unter der Inspiration des Beispiels eines Charles de Foucauld und anderer regelmäßig versammelte und eine Kirche der Armen anstrebte. Ein weiterer Beitrag vermittelt in analytischer und ein anderer in symbolisch erzählender Weise Informationen über die Geschichte und die aktuelle Entwicklung der Kirche in Cajamarca.

 

Im zweiten Teil wird die Pastoral in der Diözese Cajamarca als ein Projekt der Evangelisierung einer „Kirche mit Poncho und Sombrero“ dargestellt. Luis Mujica, Anthropologe, Lima, analysiert die Pädagogik der pastoralen Aktion in den Jahren 1962 bis 1992 und weist nach, wie Bischof Dammert, ausgehend von der Person und den Armen als Gesprächspartner, Glaube und alltägliches Leben zu verknüpfen und örtliche, zivile und kirchliche Identitätsbildung zielstrebig zu fördern suchte. Die Ausbildung von Campesinokatecheten stellt das Beispiel einer sozial engagierten Kirche dar, welche beachtliche Erfolge verbuchen durfte, aber dabei nicht unangefochten blieb. Die Erlebnisberichte einer englischen Journalistin über die reisenden Leihbibliotheken, eines ebenfalls aus England stammenden Priesters über das Diözesanseminar sowie eines lokalen Geschichtslehrers über den Glaubensweg der Campesinos der Gemeinde Bambamarca dokumentieren auf eindrückliche Weise einerseits die hoffnungsvollen Aufbrüche und andererseits die misslungenen Versuche wie z.B. in der Frage des diözesanen Priesternachwuchses oder die Schwierigkeiten mit dem Nachfolger Dammerts im Bischofsamt.

 

Der dritte Teil ist den deutschen Gemeinden vor den Herausforderungen der Kirche in Peru gewidmet. Die komplexe Problematik der an natürlichen Ressourcen reichen, aber von der Zentralregierung in Lima krass vernachlässigten und nur einseitig bewirtschafteten Region Cajamarca kommt in drei Beiträgen zur Darstellung: die Milchwirtschaft und die Produktion von Kondensmilch durch Nestlé, das Staudammprojekt Gallito Ciego und die Goldminen von Yanacocha. Die Beiträge veranschaulichen ein herausforderndes Lernfeld für die Partnerschaft zwischen peruanischen und deutschen Gemeinden im Falle der Konflikte bei der Planung und Ausführung des Staudammes, weil in beiden Ländern je unterschiedliche Interessen im Spiele waren. Ferner zeigen sie, wie internationale Dimensionen und Fragestellungen angesichts der ungelösten Fragen der Landwirtschaftspolitik sowie angesichts der Ausbeutung der großen Goldvorkommen in der Region ins Spiel kommen. Der Anspruch internationaler Solidarität verlangt nach konstanter Auseinandersetzung und Veränderung des Verhaltens hüben wie drüben und wird als konfliktiv und politisch brisant, aber auch menschlich erfüllend und bereichernd erfahren.

 

Im vierten und letzten Teil geht es um vertiefende Reflexionen über die Kirche in der globalen Welt und über Partnerschaftserfahrungen. Der Koordinator der vorliegenden Studie, Willi Knecht, Theologe und Pädagoge, Würzburg, beschreibt mit von gründlicher Sachkenntnis zeugender Ausführlichkeit die Erfahrungen der Partnerschaftsgruppen und der Kirchengemeinden in Cajamarca und in Deutschland und unterlässt es nicht, die vielfältigen Spannungen zwischen Anspruch und Wirklichkeit, Wunsch und faktischen Ereignissen, zu benennen. Prof. Elmar Klinger, Fundamentaltheologe, Würzburg, kann gestützt auf seine Beobachtungen anlässlich eines Besuches in Cajamarca die Partnergemeinden und Basisgemeinschaften in ihrer universalen Verantwortlichkeit in der Theologie des Zweiten Vatikanischen Konzils verankern. Bemerkenswert ist der Beitrag von Prof. Ottmar Fuchs, Pastoraltheologe, Tübingen, über die interkontinentalen Partnerschaften im Horizont weltkirchlicher Pastoral, insofern er aufzeigt, dass die dreißig Jahre Partnerschaft zwischen Deutschland und Peru sich einer elementaren ekklesiologischen Dimension globaler Katholizität verschreiben, die sich nicht nur über die römische Zentrale definiert, „sondern über an der Evangelisierung ausgewiesene Vernetzungsbeziehungen zwischen Ortskirchen unterschiedlicher Länder und Erdteile“ (S. 234). Seine fünf Thesen pastoraltheologischer Überlegungen zu den Partnerschaften als Basis der Inter- und Inkulturation schließt Fuchs ab mit der hoffnungsvollen Vision einer Kirche, „die in ihrer lokalen und globalen Katholizität gegen die destruktiven Globalisierungen eine transzendenzeröffnende und humanisierende ‚Gegenglobalisierung’ eröffnet und betreibt, durch eine ebenso inkulturative wie interkulturelle Pastoral, und damit durch eine ‚Globalisierung’ des Evangeliums“ (S. 254).

 

Das Buch bietet eine reichhaltige, unterschiedlich gestaltete Dokumentation der Partnerschaftsbeziehungen sowie anregende theologische Reflexionen mit Ansätzen zur Systematisierung und Vertiefung der positivem wie auch der schmerzlichen Erfahrungen und ermutigt zu weiterten Schritten im spannenden Prozess der Ausübung globaler Verantwortung.