Perus Bevölkerung fühlt sich vom Aufschwung
übergangen
Hamburg · 6. Januar · Perus Präsident Alejandro Toledo hat sich seit
seinem Amtsantritt im September 2001 schon mehrmals den Vorwurf gefallen lassen
müssen, seine Versprechen nicht einzuhalten und der Korruption Vorschub zu
leisten. Zuletzt von den Rebellen um den abgehalfterten Offizier Antauro Humala, der am
vergangenen Dienstag aufgab und die Waffen niederlegte. Humala,
ein extrem nationalistischer Ex-Offizier, hatte bereits im Jahr 2000 zum Putsch
gegen die autoritäre Regierung von Alberto Fujimori aufgerufen, um den "Ausverkauf
des Landes" zu stoppen. Damals wie heute folgten dem nationalistischen
Wirrkopf, der für die Legalisierung des Kokaanbaus und die Nationalisierung des
ausländischen Besitzes in Peru eintritt, nur wenige seiner Landsleute.
Im Dienst der US-Konzerne
Doch einen Teil der Kritik Humalas - etwa den
Vorwurf, die neoliberale Politik seines Amtsvorgängers fortzusetzen - teilen
auch Ökonomen wie Alan Fairlie. Der Dozent der ökonomischen
Fakultät der katholischen Universität in Lima ist einer der bekannten Kritiker
der Wirtschaftspolitik der Regierung Toledo und hat sich gerade in der Tageszeitung
La República zu Wort gemeldet. Fairlie kritisiert, dass sich an den Grundzügen der
Wirtschaftspolitik unter Toledo wenig geändert habe. "Der verantwortliche
Minister, Pedro Pablo Kuczsynski, ein US-Bürger,
managt die Wirtschaftspolitik im Dienste der US-Konzerne nach dem Schema der
90er Jahre", kritisiert Fairlie.
Oberflächlich betrachtet funktioniert das ganz gut. Für das Jahr 2004 beläuft
sich das Wirtschaftswachstum nach vorläufigen Zahlen auf 4,5 Prozent, 2003
waren es 4,0 und im Jahr davor sogar 4,9 Prozent. Doch das Wachstum schlägt
sich nicht in neuen Arbeitsplätzen nieder, die Präsident Alejandro
Toledo immer wieder versprochen hat. Die offizielle Arbeitslosenquote liegt bei
9,5 im Jahresdurchschnitt 2004. Allerdings sind nur rund 15 Prozent der wirtschaftlich
aktiven Peruaner fest angestellt und das Gros der Bevölkerung hält sich mit Gelegenheitsjobs
über Wasser. Weit über die Hälfte der Peruaner gilt als arm und verdient nicht mehr
als zwei Dollar täglich. Diesen Menschen hatte der selbst aus kargen
Verhältnissen stammende Toledo Hilfe in Aussicht gestellt, doch wenig hat sich
in den gut drei Jahren unter seiner Regie geändert.
Der zentrale Grund dafür ist, dass
sein ökonomisches Rezept ein reines Exportmodell ist, das auf der Ausfuhr unverarbeiteter
Rohstoffe basiert. Vor allem Edelmetalle wie Gold, Silber oder Kupfer haben zum
Boom beigetragen. Peru profitiert von den gestiegenen Weltmarktpreisen, doch es
sind nur rund 60 000 Arbeitsplätze, die der wichtigste Wirtschaftssektor Perus
bietet.
"Die exorbitant hohen Gewinne der letzten Jahre werden zum größten Teil
ins Ausland transferiert, das Land profitiert nur in engen Grenzen vom Export
seiner Reichtümer", kritisiert Bergbauexperte Luis Ginocchio
Balcazar. Er kennt kein Beispiel, wo der Bergbau
einer Region in Peru Reichtum beschert hätte. "Gleichwohl setzt die
Regierung nach wie vor auf die rücksichtslose Ausbeutung dieser Ressourcen",
kritisiert Balcazar.
Gold contra Wasser
Was dem Land fehlt, kritisieren Ökonomen wie Balcazar
und Fairlie, ist ein Konzept für die wirtschaftliche
Entwicklung, das auf die Schaffung neuer Exportprodukte und die Qualifizierung
der Bevölkerung abzielt. Ein höherer Ausfuhranteilanteil von Industriegütern
und Vorprodukten gegenüber reinen Rohstoffen würde Perus Ökonomie
stabilisieren.
Der Widerstand gegen die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen mehrt sich. Das
zeigt die Abwahl des Bürgermeisters in Chimbote, der
Fischmehlhochburg, aber auch die Proteste gegen den Ausbau der größten Goldmine
des Landes. Die liegt nahe der Stadt Cajamarca und die Minengesellschaft Yanacocha plant, einen Berg abzutragen, unter dem die wichtigste
Wasserader der Region vermutet wird. Dagegen haben die Bewohner demonstriert
und eine endgültige Entscheidung steht noch aus.
(Quelle: Frankfurter Rundschau, 7. 05)